Fred Stern in den USA mit seinen niedergeschriebenen Kindheitserinnerungen
„Recollections frrom My Youth“ mit seinem Einschulungsfoto von 1929
(Foto 2012: Ulrich Herlitz)
Besuch Gedenk- und Begegnungswoche 2009 – Unterrichtsbesuche Erasmus
Besuch Gedenk- und Begegnungswoche 2009 – Unterrichtsbesuche Erasmus
Besuch Gedenk- und Begegnungswoche 2009 – Unterrichtsbesuche Erasmus
Besuch Gedenk- und Begegnungswoche 2009 – Unterrichtsbesuche Erasmus
Fritz Stern wurde im 18. September 1923 in Grevenbroich geboren und besuchte von 1933 bis 1936 das Realprogymnasium, die Vorläuferschule des Erasmus-Gymnasiums. Seine Familie war jüdischen Glaubens und wohnte seit Generationen in Grevenbroich. Sie war sehr angesehen und vielfältig im Stadtleben engagiert, vor allem seine Großeltern Lazarus & Julie Goldstein sowie sein Großonkel Jacob Goldstein: Bei der Gründung der Höheren Bürgerschule 1861 (der damalige Name des heutigen Erasmus-Gymnasiums), in der Freiwilligen Feuerwehr, bei der Gründung des Roten Kreutzes, bei der Versorgung von Veteranen des Ersten Weltkriegs, mit der Gründung eines Lesevereins und im Leben der jüdischen Gemeinde Grevenbroich. Sein Vater, Julius Stern, nahm am Ersten Weltkrieg teil und wurde als Frontkämpfer ausgezeichnet. Jacob Goldstein war ein angesehener Religionslehrer, Mitgründer und über Jahrzehnte einer der prägenden Persönlichkeiten der „israelitischen Lehrerkonferenz für Westfalen und die Rheinprovinz – einige Jahre sogar als Lehrer an der Höheren Bürgerschule!
Die nationalsozialistische Ideologie und insbesondere der seit 1933 zur Staatsdoktrin aufgewertete Antisemitismus war auch im Realprogymnasium deutlich spürbar. Aufgrund diverser antisemitischer Vorfälle auch an der Schule bis 1936 verließ Fritz Stern das Realprogymnasium gegen den Willen seines Vaters, der seinem Sohn trotz allem die bestmögliche Bildung angedeihen lassen wollte. Fritz beendete das Schuljahr auf der Jüdischen Oberschule in Düsseldorf, begann danach ebenda eine handwerkliche Ausbildung und bereitete sich auf die Emigration in die Vereinigten Staaten vor. Seine Familie hatte nach den brutalen Schikanierungen, den Übergriffen im Zuge des Novemberpogroms der „Reichskristallnacht“ und den anschließenden Inhaftierungen in das KZ Dachau, von denen auch Fritz Onkel Ludwig Goldstein und sein Vater Julius Stern betroffen waren, den Entschluss gefasst, ihre langjährige Heimat zu verlassen.
Fritz Stern war noch keine 16 Jahre alt, als er im Frühjahr 1939 zusammen mit seinen Eltern in die USA emigrierte und dort als Fred Stern ein neues Leben begann. Hier fand er für die nächsten acht Jahrzehnte eine neue Heimstätte, war beruflich erfolgreich und gründete eine Familie.
Den Kontakt zu seiner früheren Heimatstadt hatte er nie verloren, fühlte sich ihr bis zuletzt verbunden. Bis in sein Alter bedauerte Fred Stern, dass ihm der Gymnasialabschluss in Deutschland unmöglich war. Im Senior Center seiner neuen Heimat Corona del Mar/Newport Beach nahm er regen Anteil an der „German Class“, außerdem engagierte er sich für die UCI (University of California Irvine).
Im Jahre 2009 besuchte Fred Stern, wie er sich in den USA nannte, mit Hilfe der Bundes-Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“, dem Förderverein des Erasmus-Gymnasiums auf Anregung des „Arbeitskreis Judentum“ im Geschichtsverein zuletzt seine Heimatstadt Grevenbroich und auch seine ehemalige Schule, um Schülerinnen und Schülern von seiner Biographie zu berichten. Auch die Gräber seiner in Grevenbroich ansässigen Vorfahren besuchte er gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern auf dem jüdischen Friedhof in Grevenbroich. Gemeinsam mit dem Arbeitskreis Judentum um den heutigen Geschichtsvereinsvorsitzenden Ulrich Herlitz warb er im Rahmen seines Besuches 2009 erfolgreich im Rat der Stadt Grevenbroich für die Verlegung von Stolpersteinen durch Gunter Demnig. Auch für seine Großeltern Lazarus & Julie Goldstein, seine Großtante Julie Goldstein und seinen Onkel Ludwig Goldstein, ebenfalls Schüler am Progymnasium mit Abschluss 1912, wurden daraufhin Stolpersteine am früheren großväterlichen Anwesen auf der Lindenstraße 27 verlegt. Mittlerweile ist die 9. Stolpersteinverlegung mit Gunter Demnig für dieses Jahr in Planung, in deren Rahmen auch ein Stolperstein für die ehemalige Schülerin (Höhere Mädchenschule) und Großcousine von Fritz Stern, Grete Goldstein, verlegt werden soll.
Ulrich Herlitz verfasste einen Aufsatz zu Fritz Stern und seiner Familie in der Festschrift zum 150. Gründungstag des Gymnasiums. Gemeinsam mit dem Geschichtsverein und Geschichtslehrer Martin Lönne wurden pädagogische Arbeitsblätter zu seiner Familie sowie eine Arbeitsmappe zu den Stolpersteinen der Familie Goldstein erarbeitet, die bis heute genutzt werden. Zurzeit planen zwei Geschichtskurse um Till Krewer und Peter Cwik gemeinsam mit dem Geschichtsverein einen Projekttag zu Fritz Stern und seiner Familie anlässlich des Holocaustgedenktages am 27. Januar 2022.
Am 26. Dezember 2021 verstarb der ehemalige Schüler Fritz Stern im Alter von 98 Jahren in seiner Heimat Newport Beach, Kalifornien. Wir werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren und seine Lebensgeschichte auch mit zukünftigen Schülergenerationen thematisieren.
Mit Fred Stern ist die Stimme eines der letzten Zeitzeugen und Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung in Grevenbroich, aber auch einer der ältesten, seit mehreren Generationen ansässigen Familien Grevenbroichs endgültig verstummt. Nun liegt es umso mehr auch an der Schulgemeinde, seine Familiengeschichte und die der nationalsozialistischen Zeit in Grevenbroich sowie der Grevenbroicher Holocaustopfer zu erzählen.
Dr. Michael Collel und die Schulgemeinschaft des Erasmusgymnasium
Eckard Cwik, Verein der Förderer und Freunde des Erasmusgymnasiums
Ulrich Herlitz und der Arbeitskreis Judentum / Geschichtsverein Grevenbroich
Erasmus-Gymnasium Grevenbroich