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Januar 2022
Altenpflege, Bienenwachstücher, Chips und Decalin – vier Schülerinnen berichten von ihren ungewöhnlichen Praktika
Zwei Wochen schulfrei, das klingt erstmal verlockend. Doch die Stufe EF durfte in dieser Zeit nicht auf der faulen Haut liegen, sondern hat die Arbeitswelt erkundet und den Klassenraum gegen Altenheim, Labor und Fabrik getauscht. Wir haben mit vier Schülerinnen gesprochen, deren Praktika als eher speziell gelten dürften. Und wer weiß, vielleicht liefern wir euch damit Anregungen für eure eigenen Praktika und Berufswünsche!
Interview mit Sophie Laura Ortens: Zwischen BWL und Altenpflege
Das Besondere an Sophie Lauras Praktikum war, dass sie in zwei Wochen gleich in zwei völlig verschiedene Berufsfelder hineinschnuppern konnte.
1. Was hat dein Praktikum so besonders gemacht? Was war ungewöhnlich?
An meinem Praktikum war besonders, dass ich einen sehr tiefen Einblick in verschiedene Berufsfelder erhalten habe. Zum Beispiel hatte ich die Möglichkeit kennenzulernen, wie man in einem Unternehmen Rechnungen abrechnet, wie Online-Meetings ablaufen, wie man richtig mit verschiedenen Computerprogrammen umgeht und durfte generell viel im Bereich BWL und Unternehmensführung kennenlernen.
Gestern und vorgestern habe ich mir den Bereich der Betreuungskraft auf der Demenz-Station in einem Altenheim angesehen. Dabei habe ich viel im sozialen Bereich kennengelernt, habe mitgeholfen ein Trauergespräch mit einer Bewohnerin, die ihren Mann verloren hat, zu führen, habe viele interessante Gespräche mit älteren Menschen geführt und war bei einem Vorstellungsgespräch dabei. Dementsprechend habe ich einen tiefen Einblick in den Bereich BWL und den sozialen Bereich erhalten, was nicht selbstverständlich ist.
2. Was hat dich am meisten überrascht? Woran wirst du dich noch lange erinnern?
Was mich am meisten überrascht hat, ist, wie locker das Verhältnis zwischen Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber:innen sein kann. In der Schule wird einem ja eher eine sehr formelle und beinahe schon „hierarchische“ Struktur näher gebracht, indem man besonders auf formelle Sprache achtet und die Lehrer:innen aufgrund dessen, dass sie über unsere Noten und somit auch ein Stück weit über unsere Zukunft entscheiden, automatisch höher gestellt werden, wie in hierarchischen Strukturen eben. Ich habe jetzt natürlich keinen Vergleich, wie es in anderen Firmen im Bereich BWL und im sozialen Wesen vor sich geht, aber beide Bereiche sahen das nicht so streng, wie die Schule es sieht. Im sozialen Bereich haben sich beispielsweise alle Mitarbeiter:innen geduzt. Die Bewohner:innen hat man hingegen gesiezt, um ihnen mit einem gewissen Respekt gegenüberzutreten, es sei denn sie bestanden darauf, geduzt zu werden.
Lange werde ich mich wahrscheinlich noch an den freundlichen und offenen Umgang untereinander erinnern und auch an die zahlreichen, interessanten Gespräche mit den älteren Menschen, die sich um ihr früheres Leben drehten. Ich habe gemerkt, dass die Arbeit mit Menschen mehr unter die Haut geht und einem auf lange Sicht wahrscheinlich besser in Erinnerung bleibt. So werde ich wahrscheinlich nie einige Schicksale von ihnen vergessen und in Zukunft vielleicht sogar deutlicher wahrnehmen, dass Menschen, die an Demenz leiden, ihre Schicksale und ihre Kindheit, sowie prägende Momente und Lebensabschnitte (beispielsweise das Leben im und nach dem Krieg) länger behalten als das, was sie noch vor fünf Minuten erzählt haben oder Wissensfragen, etwa, in welchem Jahr sie geboren sind.
3. Was war gut? Was war weniger gut?
Gut war, dass ich viele Erfahrungen sammeln durfte! Ich habe die Möglichkeit bekommen, tiefe und wertvolle Eindrücke zu gewinnen und werde diese später auch in mein Berufsleben mitnehmen. Für die Mühe, die sich die Leute dort für mich gemacht haben, bin ich jedenfalls sehr dankbar, denn ich kann wirklich nur sagen, dass alle sehr zuvorkommend und herzlich waren.
Weniger gut waren lediglich die Umstände unter der Pandemie. Es war selbst für mich in diesen zwei Wochen schon sehr nervenaufreibend, dass viele Mitarbeiter:innen wegen Corona in Quarantäne mussten. Die Pool-Testung im Kindergarten stellte dabei das größte Problem für die Mitarbeiter:innen dar, denn selbst wenn sie und ihre Kinder an sich nicht mit dem Virus infiziert waren, mussten sie dennoch in Quarantäne für ein paar Tage und diese Kräfte haben überall gefehlt! Besonders in der Altenpflegeeinrichtung, in der ich für zwei Tage war, und wo eh schon ein ordentlicher Personalmangel wiederzufinden ist. Da mussten auch mal die Einrichtungsleiter:innen die Wäsche waschen und die Pflegekräfte, die eh schon allerhand zu tun hatten, auch noch das Kochen übernehmen.
4. Könntest du dir vorstellen diesen Beruf später zu machen?
Ich habe ja Einblicke in gleich zwei Bereiche erhalten und kann mir nicht zu 100% vorstellen, in einem der beiden Bereiche zu arbeiten. Weder die ganze Zeit vor dem Computer im Büro zu sitzen, noch den ganzen Tag nur herumzulaufen ist etwas für mich. Eher suche ich nach etwas in der Mitte, also etwas wo ich nicht nur anstrengende Arbeit im sozialen Bereich oder ausschließlich Büroarbeit mit viel Mathematik und logischem Denken verrichten muss, sondern sowohl mit Leuten Kontakt habe und immer wieder andere Leute kennenlerne, als auch am Computer mit Zahlen zu arbeiten.
Meinen Traumjob habe ich durch das Praktikum demnach nicht gefunden, aber ich habe jetzt eine bessere Vorstellung davon, was ich mir vorstellen kann, was ich in meinem zukünftigen Job suche und auch brauche. Und genau das werde ich auch noch einmal mit weiteren Praktika, in der Übergangszeit zwischen Abitur und Studium, vertiefen, sodass ich am Ende hoffentlich einen Beruf finde, der gut zu mir passt.
(geführt von AM)
Interview mit Merle: Was Bienen mit Frischhaltefolie zu tun haben
Bienen und Umweltschutz – das passt ganz wunderbar zusammen, wie Merle in ihrem Praktikum erlebt hat.
1. Was hat dein Praktikum so besonders gemacht?
Ich habe mein Praktikum bei dem kleinen Unternehmen „Wachsling“ gemacht und dort bei der Herstellung von Bienenwachstüchern geholfen. Die Tücher können Alu- oder Frischhaltefolie ersetzen und sind wiederverwendbar. Diese umweltfreundliche Grundidee hat mir bei meinem Praktikum besonders gefallen.
2. Was hat dich überrascht?
Das ein so kleines Unternehmen (zwei Leiter und eine Festangestellte) allein so viel auf die Beine stellen kann. Wachsling beliefert die Kette Butlers europaweit und hat eine geheime Maschine entwickelt, damit die Bienenwachstücher nicht wie bei Konkurrenzunternehmen per Hand hergestellt werden müssen. Ich musste die fertigen Tücher nur noch falten und zum Verschicken bereitmachen
3. Was war gut/ weniger gut?
Am besten hat mir das Aufbauen der Aufsteller/Displays im Supermarkt gefallen. Wir sind zu Rewe oder Edeka gefahren und saßen dort im Laden mit dem Akkuschrauber auf dem Boden, um alles zusammenzubauen und die Bienenwachstücher möglichst schön zu drapieren.
Die anderen Aufgaben wie das Falten, Einpacken und Absenden der Bienenwachstücher sind zwar eigentlich entspannt zu erledigen und ich konnte in Ruhe dabei Musik hören, aber nach den zwei Wochen reicht es mir auch erstmal damit. Mit der Zeit werden solche Arbeiten natürlich langweilig.
4. Könntest du dir vorstellen, das später beruflich zu machen?
Nein, als Angestellte bei Wachsling zu arbeiten und immer das gleiche zu machen kann ich mir nicht vorstellen, aber ich fände es trotzdem toll in einem Unternehmen zu arbeiten, das so ein interessantes und umweltfreundliches Konzept hat!
(geführt von LG)
Interview mit Anna-Lena End: Der wohl leckerste Job der Welt
In diesem Job braucht man Biss – das trifft auf Anna-Lenas Praktikum auf jeden Fall zu. Sie durfte zwei Wochen lang bei ‚Intersnack‘ im Bereich Forschung und Entwicklung arbeiten. Was man unter dem „Flavour Development“ versteht, erfahrt ihr im Interview!
1) Was hat dein Praktikum so besonders gemacht?
Vieles hat mein Praktikum besonders gemacht. Vor allem würde ich dazu zählen, dass ich einen relativ guten Einblick in die Produktion von Kartoffelchips, Kesselchips und weiteren Chipsarten bekommen habe. Natürlich war aber auch der Einblick in die Entwicklung, Reformulierung (Neuformulieren von Rezepturen, um u. a. Palmöle zu vermeiden, den Salzgehalt zu verringern, alte Aromen auszutauschen) und das Anmischen von Gewürzmischungen, die zur Weiterentwicklung der Rezepturen dienen, spannend. Ich habe u.a. zugesehen, wie Versuche an aktuellen Gewürzmischungen durchgeführt wurden, da sie z.B. zu staubig waren, ich durfte bei Applikationen im Labormaßstab helfen, aber auch bei etwas größeren Mengen und ich durfte zahlreiche Gewürzmischungen anmischen, mit denen in naher Zukunft noch weiter gearbeitet wird.
Ungewöhnlich, bzw. eher überraschend fand ich, dass die Abteilung des „Flavour Development“ gar nicht so groß war, wie ich es mir vorgestellt hatte. Das „Flavour Development“ war zusammen mit dem Zentrallabor und einer weiteren Abteilung in einem „Haus“ an der Produktion angeschlossen.
Am tollsten fand ich aber natürlich die zweite Woche meines Praktikums, da ich dort meine „eigene“ Gewürzmischung von Anfang an entwickeln durfte. Herausgekommen sind sehr leckere Tzatziki-Chips. Die Gewürzmischung durfte ich am Freitag, dem letzten Praktikumstag, selber applizieren (auftragen) und in ein paar Tütchen verpacken und mitnehmen.
2) Was hat dich am meisten überrascht? Woran wirst du dich noch lange erinnern?
Überrascht hat mich vor allem die Vielzahl an Aromen, mit denen täglich gearbeitet wurde. Natürlich wurden nicht alle regelmäßig eingesetzt, aber es gab viele Aromen, die in fast allen Rezepturen vorhanden waren. Erinnern werde ich mich auf jeden Fall an die Menschen, die ich dort kennengelernt habe. Alle waren super nett und ich habe mich sofort wohlgefühlt. Natürlich wird mir aber auch die Arbeit generell im Sinn bleiben. Über die zwei Wochen, die ich im Rahmen des Praktikums dort war, habe ich mehrere Sachen öfters wiederholt, weshalb mir die Abläufe noch etwas in Erinnerung bleiben werden.
3) Was war gut / was war weniger gut?
Gut war auf jeden Fall, dass ich so viel wie möglich in die alltägliche Arbeit eingebunden wurde. Dazu zählen z.B. Ausmischungen, kurze Besuche in der Produkten wegen verschiedenen Anlässen, Versuchen mit Gewürzmischungen und das Anfertigen von Mustern für diverse Zwecke. Was ich weniger gut fand, was allerdings natürlich nicht vermeidbar ist, war, dass ich öfters einfach nur rumgesessen habe, da meine Kolleginnen viel am Computer gearbeitet haben. Etwas weniger mit der hauptsächlichen Arbeit haben die Pausen zutun, allerdings fand ich diese meistens auch sehr schön, weil ich mich in der Zeit viel mit meinen Kolleginnen unterhalten konnte.
4) Könntest du dir vorstellen, das später beruflich zu machen?
Da bin ich mir noch nicht ganz sicher. Ich fand es sehr toll, einen Einblick in diese Berufsrichtung zu bekommen und aktuell plane ich defintiv später auch in diese Berufsrichtung zu gehen, allerdings möchte ich mir erstmal noch ein paar weitere Einblicke in dieser Berufswelt schaffen, ein weiteres Praktikum habe ich deswegen bereits im Auge.
(geführt von AP)
Interview mit Milena Kauertz: Der Reiz der Gefahr – Arbeiten im Chemielabor
Decalin, Aceton, GC und Extruder – du verstehst nur noch Bahnhof? Keine Sorge, im Interview erklärt Milena, was man in einem Chemielabor macht und was sie dabei besonders überrascht hat.
1) Was hat dein Praktikum so besonders gemacht? Was war ungewöhnlich?
Also ich denke persönlich, dass ein Praktikum im Labor schon seinen Reiz hat. Zwischen gefährlichen Chemikalien wie Decalin (ein extrem widerstandsfähiges Lösungsmittel, das erst bei -40 °C schmilzt und bei 190 °C siedet. Bei direktem Kontakt werden Haut und Schleimhäute angegriffen und der Stoff gelangt in den Körper)* oder Aceton (ebenfalls ein Lösungsmittel, das leicht entzündlich und explosiv ist, wenn es mit Sauersoff in Berührung kommt)* und Geräten, wie dem GC (ein Verfahren, bei dem man eine Mischsubstanz in ihre chemischen Bestandteile zerlegt, indem man den Stoff mit einem Gas versetzt und durch ein komplexes Destillerieverfahren isoliert)* oder Extruder (ein Apparat, der zähflüssige Substanzen unter großer Hitze und starkem Druck in eine Form presst)* ist man natürlich nicht jeden Tag. So nah an Chemikalien und Geräte heranzukommen, welche man sonst nur aus Bildern oder Texten des Chemiebuches kennenlernt, ist schon etwas ganz Besonderes, aber zugleich auch irgendwie ungewöhnlich.
2) Was hat dich am meisten überrascht? Woran wirst du dich noch lange erinnern?
Überrascht haben mich ehrlich gesagt einige Punkte. Generell betrachtet hätte ich nicht damit gerechnet, wie viel man selbst machen kann und wie kreativ der Beruf eines Laboranten sei kann, denn die meisten Methoden, welche wir dort praktiziert haben, waren selbst entwickelt. Chemisch gesehen haben mich eben einige Prozesse und Ansätze der Problemlösung besonders fasziniert.
3) Was war gut / was war weniger gut?
Besonders gut fand ich es immer dann, wenn ich selbst an etwas herandurfte. Hinter meinem Praktikumsleiter zu stehen und ihm zuzusehen, wie er die Messungen an den täglichen Proben durchführt, fand ich persönlich weniger interessant, jedoch natürlich nicht weniger wichtig, als die Teile des Praktikums, in welchen ich selbst an Geräten arbeiten durfte. Vor allem der Vakuolentest (eine Vakuole ist ein „Organ“ einer Zelle und als solches vor allem für ihre Stabilität zuständig), aber auch die Irganox- Bestimmung haben mir persönlich sehr viel Spaß gemacht, zumal ich dies eben selbst machen konnte. (Da ich Schülerpraktikantin war, durfte ich eben nicht mit allen Chemikalien umgehen, aber natürlich mit allen Geräten;)
4) Könntest du dir vorstellen, das später beruflich zu machen?
Kann ich ehrlich gesagt nichts zu sagen.
*Anmerkungen des Interviewers
(geführt von ED)
Erasmus-Gymnasium Grevenbroich